Zum Internationalen Männertag: Mehr Männer in Frauenberufe
Thomas Wisniewksi ist Kinderpfleger in der Krippe im Integrativen Kindergarten Wiesengrund. Der einzige in unserem Verband. Das ist bezeichnend für die gesamte Branche der Kinderbetreuung. Ob er sich als Exot versteht und wie er auf die Problematik blickt, dass so wenig Männer in sozialen Berufen und vor allem in der Kinderbetreuung arbeiten - das hat er in diesem Interview verraten.
Herr Wisniewski, war es schon immer Ihr Wunsch, mit Kindern zu arbeiten? Wie kam es dazu?
Ich habe mit 15 klassisch eine Ausbildung im Handwerk gemacht. Mir war jedoch schnell klar, dass ich das nicht dauerhaft machen möchte. Mir waren der strenge Ton und die Hektik in der Erledigung der Aufträge nicht geheuer. Mehrere Jahre habe ich nach der richtigen Berufung für mich gesucht und habe viele Berufsrichtungen ausprobiert. Alle typischen Männerdomänen haben mich nicht befriedigt. Irgendwann habe ich ein Praktikum gemacht und mit 22 die zweite Ausbildung begonnen - zum Kinderpfleger. Ich habe es nie bereut und bin sehr zufrieden mit meiner Wahl. Seit 2013 bin ich nun bei der AWO. Erst im Kinderhaus Kleinen Globus in Würzburg, seit vier Jahren hier im Wiesengrund in Höchberg.
Was ist für Sie das Schöne an diesem Beruf?
Es ist das gute Gefühl, dass man etwas dazu beiträgt, dass es den Kindern gut geht und sie einen wertvollen Start ins Leben bekommen. Mir geht es gut, wenn die Kinder Spaß haben und Kind sein können. Diese Freiheit haben sie nie wieder und sie sollen sich so entfalten können, wie sie es gerne möchten.
Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihren Beruf? Was sagen vor allem die Männer?
Meine Freund kennen mich lange und es ist allgemein akzeptiert, dass ich einen nicht typisch männlichen Beruf habe. Ich stoße auch sonst nicht auf Unverständnis, nur auf Verwunderung. Manchmal werde ich gefragt, wieso ich das tue. Ich kann das für mich gut argumentieren. Mir ist es auch egal, was andere sagen, solange ich mit meiner Wahl ok bin. Ich arbeite zum Beispiel bewusst nur Teilzeit. Habe selbst bald drei Kinder und möchte so viel Zeit mit ihnen verbringen, wie es geht. Das ist für mich und für meine Frau selbstverständlich.
Werden Sie nicht gefragt, ob das Geld in der Position des Familienvaters reicht? Reicht es denn?
Doch, das ist eine typische Frage. Und nein, wenn ich Alleinverdiener wäre, würde es nicht reichen. Meine Frau und ich sind hier der gleichen Meinung: Beiden arbeiten wir Teilzeit und machen das bewusst. Wir leben sehr sparsam und kommen im Alltag mit viel weniger Geld aus als andere - weil uns die Zeit mit der Familie einfach immens wichtig ist. Ich fahre seit 2014 hautpsächlich mit dem Fahrrad. Ich zwinge niemandem diesen Lebensstil auf, auch wenn ich es persönlich nicht verstehe, warum andere freiwillig so wenig Zeit mit ihrer Familie verbringen. Mit manchen Kindern aus meiner Krippengruppe verbringe ich täglich mehr Zeit als die eigenen Eltern, vor allem der eigenen Vater. Das möchte ich für meine Kinder nicht.
Was denken SIe, bringt ein Mann in diesen Beruf mit? Womit unterscheidet sich ein männlicher Kinderpfleger von einem weiblichen?
Mir fallen im Alltag nicht viele Unterschiede auf. Wir sind hier ein seht gutes Team, ziehen alle an einem Strang und sind meistens auf einer Wellenlänge. Was die Kinder angeht, gibt es meistens Konsens. Wenn ich aber etwas herausarbeiten müsste - ich glaube ich bin insgesamt etwas lockerer als die meine Kolleginnen. Ich bringe häufiger eine andere Sicht der Dinge ein - etwas pragmatischer und einfacher. Ich mache öfters ein Späßle und nehme die Dinge insgesamt nicht ganz so ernst. Das ist eine gute Ergänzung zur Denkweise meiner Kolleginnen. Ich komm mit beiden Geschlechtern gut aus, aber wenn ich ganz ehrlich bin – ein gutes Frauenteam ist mir lieber als Männer. Da ist der Ton rauer, die Hierarchien zu ernst.
Merken Sie einen Unterschied bei den Kindern? Ziehen die Jungs mehr zu Ihnen?
Nein. Hier gibt es keinen Unterschied. Ich bin in der Krippe für die Eingewöhnung zuständig, alle Kinder „gehen durch meine Hand“ und sind gerne in meiner Gegenwart oder eben nicht, je nach Vorliebe oder Tagesform. Aber mit Sicherheit erfülle ich ein anderes Rollenbild. Ich mache Dinge anders als meine Kolleginnen und meine handwerkliche Prägung ist hier sicherlich hilfreich. Das sehen die Kinder und das hilft ihnen, die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln wahrzunehmen.
Warum denken Sie, dass so wenig Männer diesen Beruf erlernen? Ist es die Bezahlung?
Das ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Punkte. Für mich steckt aber viel mehr dahinter. Für Männer gibt es auch fachlich nicht genug Anreiz - weil es kein Ergebnis der Arbeit gibt. Am Ende des Tages sind die Kinder zufrieden und gehen nach Hause. Das Ergebnis kommt 20-30 Jahre später.
In der Kinderbetreuung und der Bildung allgemein erhalten einen Status quo, der als selbstverständlich angesehen wird. Kinderbetreuung gibt keinen gesellschaftlichen Status. Wir kreieren nichts Neues, bauen kein Haus und reparieren kein Auto. Dabei ist unsere Aufgabe viel wichtiger und erst wenn wir sie nicht richtig machen würde, würden man feststellen, dass die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht kommt. Das ist sehr schade.
Dazu muss man auch sagen, dass der Beruf für Männer abschreckend ist - es ist sehr anstrengend, in Vollzeit mit Kindern zu arbeiten. Viele schrecken schon vor der Zeit mit den eigenen Kindern ab.
Und für Frauen ist es nicht so schmerzend, dass sie „nur“ einen Status quo erhalten und nicht sichtbare Dinge „erschaffen“…
Frauen machen das einfach, weil es für sie selbstverständlich ist. Ähnlich wie die Hausarbeit.
Ist es dann nur die Gesellschaft, die uns zu diesen Rollenbildern erzieht?
Sicherlich nicht nur. Es sind viele Faktoren. Anthropologisch gesehen gibt es ja Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die sich eben in der Gesellschaft und der Familie widerspiegeln. Aber in der heutigen Zeit spielen diese keine Rolle mehr. Jeder kann alles machen.
Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit mehr Männer in die Kinderbetreuung und allgemein in typischen Frauenberufen gehen?
Ganz klar mehr Geld für Bildung allgemein. Es kann nicht sein, dass wir so viele Milliarden wir für Krieg ausgeben und dabei die Bildung auf der Strecke bleibt. Und Männer müssen ehrlicher sein. Viele sind augenscheinlich gegen Frauenberufe, aber im Zweigespräch finden sie es in Ordnung. Das wäre ein Anfang. Dazu die Wichtigkeit dieser Tätigkeit anerkennen und nicht auf ein selbstverständliches Status quo reduzieren. So würde man diesen Beruf gerechter werden.