Hier werden selbst Hundertjährige fit
Eine Jubiläumsveranstaltung konnte es wegen der Pandemie nicht geben. „Wir hatten zu unserem 25-jährigen Bestehen eigentlich ein Symposium geplant“, bedauert Andreas Zenker, Direktor der Geriatrischen Rehabilitationsklinik in der Würzburger Kantstraße. Seit dem 5. August 1996 gibt es die Einrichtung des AWO Bezirksverbands Unterfranken. „Anlässlich unseres Jubiläums hätten wir gern unseren Weg vom einstigen Modell- zum heutigen Erfolgsprojekt aufgezeigt“, so Zenker.
In einer geriatrischen Reha-Klinik bemüht man sich, die gesundheitliche Situation eines*r betagten Patient*in nach einer akuten Erkrankung zu verbessern. „Das gelingt uns zu einem sehr hohen Prozentsatz“, sagt Zenker. Letztes Jahr konnten 80 Prozent aller Patient*innen von der Reha-Klinik wieder in das häusliche Umfeld entlassen werden. Das Angebot selbst wird stark nachgefragt. Das, so Zenker, ist auch kein Wunder. Es wäre kaum möglich, nach einer Entlassung aus der Akutklinik, etwa wegen eines Schlaganfalls, mit allen noch bestehenden Einschränkungen sofort nach Hause zu gehen.
Damit die Senior*innen möglichst ihre Selbstständigkeit zurückerlangen, ziehen viele Professionen an einem Strang. Die betagten Patient*innen erhalten in der Geriatrischen Klinik Ergo- und Logotherapie, Physiotherapie und Massagen. Daneben gehören auch die Ernährungsberatung und Psychologie zum Team, zwei Professionen, die im ambulanten Bereich für ältere Patient*innen kaum zur Verfügung stehen, obwohl ein großer Bedarf besteht. Allein im Therapiebereich sind rund 50 Mitarbeitende für knapp 90 Patient*innen zuständig. Insgesamt besteht das therapeutische, pflegerische und ärztliche Team aus 180 Personen. Als Chefärztin fungiert Geriaterin Dr. Kathrin Tatschner.
Wir alle dürfen heute die Hoffnung haben, im Durchschnitt 80 Jahre alt zu werden. Als die Geriatrische Rehabilitationsklinik vor 25 Jahren ihren ersten Patienten aufnahm, lag die durchschnittliche Lebenserwartung noch vier Jahre darunter. „In der Anfangszeit hatten wir auch noch Patient*innen mit 65 behandelt“, erinnert sich Dr.Tatschner. Diese jungen Senior*innen gehören heute der Minderheit an. Dafür wächst die Zahl der Hochaltrigen: „Wir haben öfter Hundertjährige bei uns.“
Auch diesen Patient*innen kann das Team gut helfen. Allerdings wachsen die Anforderungen. Häufig leiden die Patient*innen an mehreren Erkrankungen gleichzeitig, müssen viele Medikamente einnehmen, die Muskulatur wird weniger, das Sturzrisiko steigt – manchmal ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss. Die Freude bei Patient*innen und Behandler*innen ist aber groß, wenn wieder ein Stückchen Unabhängigkeit gewonnen ist.
Ein sanfter Übergang
In die Reha-Klinik kommen Senior*innen aus der Stadt und dem Landkreis Würzburg. Selbst während der Pandemie wurde durchgängig behandelt. In das Konzept ist ein Entlassmanagement integriert, damit der Übergang von der Klinik in das häusliche Umfeld sanft gelingt.
Zu helfen, das Leben nach einer Erkrankung wieder in vollen Zügen genießen zu können, ist Sinn und Zweck aller Bemühungen in der Rehaklinik. Sehr oft gelingt dies nach einem drei- bis vierwöchigen stationären Aufenthalt. Manchmal reicht es auch aus, für vier bis fünf Wochen vier Stunden pro Werktag die in die Einrichtung intergierte ambulante geriatrische Reha zu besuchen. „Wir bieten außerdem mobile geriatrische Reha an“, berichtet Zenker. In diesem Fall kommen die Therapeut*innen zu den Patient*innen nach Hause. Dort erhalten sie mehrmals in der Woche intensive Therapieeinheiten, angepasst an die häuslichen Gegebenheiten.
Vor 25 Jahren hatte die AWO einem Mangel abgeholfen, indem sie sich für die Etablierung einer Geriatrischen Rehaklinik entschied. Sukzessive wurde das anfängliche Modellprojekt des Freistaats und der Bundesrepublik ausgebaut. So ist heute eine orthopädische Abteilung in die Klinik integriert. Zu beobachten ist laut Chefärztin Dr. Tatschner, dass auch betagte Patient*innen nach einem Schlaganfall, nach Krebs oder Herz-Kreis-Problemen immer früher aus dem Krankenhaus entlassen werden. Sie kommen sozusagen deutlich „kränker“ als einst in die Reha-Klinik. Was ihre Behandlung anspruchsvoller macht.
Unzureichende Finanzierung
Auch wenn es durchaus möglich ist, sich in einer Einrichtung seines Lebens zu freuen, wünschen die meisten Senior*innen nach einer Erkrankung nichts sehnlicher, als so weit wiederhergestellt zu werden, dass sie an ihr gewohntes Leben anknüpfen können. Die Politik selbst hat sich den Grundsatz „Ambulant vor stationär“ auf die Fahnen geschrieben. Dieses Prinzip wäre ohne Einrichtungen wie die des AWO Bezirksverbands nicht zu realisieren: Um zu Hause leben zu können, darf man nicht allzu stark eingeschränkt sein.
Zu wissen, dass die AWO sie bei Notfällen nicht im Stich lässt, ist für Würzburgs Senior*innen eine riesige Erleichterung. Die Einrichtung zu betreiben, stellt uns allerdings vor wachsende Probleme, sagt Andreas Zenker. Rehakliniken werden von den Kostenträgern nämlich nicht mit den Pflegesätzen bedacht, die ein kostendeckendes Arbeiten ermöglichen würden: „Andere Einrichtungen haben deshalb geschlossen.“ Für Zenker ist es unverständlich, dass die Rehakliniken so wenig auskömmlich refinanziert werden. In seinen Augen bedeutet es eine gesellschaftliche Aufgabe, erkrankte Senior*innen so zu behandeln, dass sie weiterhin selbstbestimmt leben können.
„Dass der Großteil unserer Patient*innen wieder ins häusliche Umfeld entlassen werden kann, führt letztendlich auch zu erheblichen Kosteneinsparungen bei den Kassen“, ergänzt Bezirksgeschäftsführer Martin Ulses. Sein Aufruf an die Kassenverhandler ist, einmal gegen zu rechnen, wie viel Kosten durch den vermiedenen oder herausgezögerten Aufenthalt in einem Pflegeheim durch die Geriatrische Reha-Klinik eingespart wird. „Dann würden wir mir Leichtigkeit deutlich höhere Entgelte erhalten“, meint Ulses.
Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags a.D., die die Geriatrische Reha-Klinik der AWO seit ihrer Eröffnung vor 25 Jahren begleitet, wünscht der Klinik in einem schriftlichen Statement beste Voraussetzungen, um ihren klaren Auftrag erfüllen zu können. „Das bedeutet für die Kostenträger, immer die Mittel zur Verfügung zu stellen, die für medizinische und therapeutische Behandlungen notwendig sind; wobei genügend Zeit vor allem für die, die in der Pflege unterwegs sind, von ganz entscheidender Bedeutung ist. Deshalb wünsche ich mir, dass zukünftig bei Pflegesatzverhandlungen Zeit und damit Zuwendung Eingang finden.“
Auch Sozialreferentin der Stadt Würzburg Dr. Hülya Düber gratuliert schriftlich zum 25-jährigen Bestehen und bedankt sich für die lange, kontinuierliche Arbeit der Klinik. „Gleichzeitig bedanke ich mich für die partnerschaftliche Kooperation mit vielen in der Stadt agierenden Akteur*innen.“
Feierlichkeit im kleinen Rahmen
Eine kleine Überraschungsfeier für die Mitarbeitenden konnte am 5. August im großen Veranstaltungssaal letztlich doch stattfinden. Herbert Franz, Ehrenvorsitzender des Bezirksverbandes und ehemaliges Mitglied des bayerischen Landtages, sowie Martin Ulses überbrachten ihre Glückwünsche zum Jubiläum persönlich. In diesem Rahmen wurden auch zwölf der rund 180 Mitarbeiter*innen geehrt, welche ihr 25-jähriges Dienstjubiläum feiern und somit die Klinik von Anfang an begleiten.